Der Hintergrund der Existenz.
Fotografien von Mona Breede in Berlin

Den Hintergrund in den Vordergrund zu rücken, das ist in etwa so, als lege man bei einer Fassade das Augenmerk nur auf die Wand. Bar aller übrigen Elemente würde sie freilich nichts weniger als der Halt der gesamten Ansicht – und genauso lässt sich das Verhältnis der Menschen im Vordergrund und der Architektur im Hintergrund in den Arbeiten der Karlsruher Künstlerin Mona Breede bestimmen. Ihre Ausstellung "Der Hintergrund der Existenz" ist nach dem Auftakt im Goethe-Institut Lyon nun in Berlin zu sehen. Wie bildet sich die Wirklichkeit des Menschen im Raum ab? Diese Frage stellt sich beim Betrachten von Breedes Arbeit unmittelbar. Ein Teil der Bilder - wie etwa die Serie "Exterior Mirror", deren Hintergrund das Lloyd´s Building von Richard Rogers in London bildet - sind trotz offensichtlich fehlendem Bezug zwischen den Vorbeieilenden und dem Gebäude Aufnahmen von Situationen, die vor Ort stattgefunden haben. Nicht gestellt ist auch "Hugo", dieses merkwürdige Gegenüber einer Ansammlung von Menschen vor einem riesenhaften, nur in Teilen sichtbaren männlichen Körper, der sich bei näherem Hinsehen als Verkleidung eines Gebäudes entpuppt. Diese Fotografien erzeugen im Kopf des Betrachters eine Distanz zwischen den Bildelementen, obwohl sie gleichzeitig abgebildet wurden. Die wirkliche Entfremdung vollzieht Breede in ihren neueren Arbeiten, bei denen sie „den Augenblick“ verlässt und stattdessen die Bilder aus unterschiedlichen Versatzstücken der Realität montiert. Dadurch kann sie sich darauf konzentrieren, Menschen, Räume und Orte in ihrer jeweils spezifischen Atmosphäre aufzunehmen, sie als Teile einer größeren Choreographie zu verwenden.

Die Objekte auf großen Bildserien wie "Men 1-n, I-IV erhalten eine eigene Aura, die Menschen auf dem Bordstein, die durchgehende Mauer und auch die Gebäude, die in weiter Ferne zu stehen scheinen. Das Erschreckende liegt in der Beiläufigkeit: Unsere Wahrnehmung akzeptiert das Disparate, Unzusammenhängende, Fragmentierte als etwas Normales und ist allenfalls dort irritiert, wo das Wissen anderes lehrt. Beispielsweise wenn das Empire State Building dort ins Bild tritt, wo es garantiert nicht hingehôrt. Gerade bei den Amerika-Bildern hat sich Breede von der Ästhetik Edward Hoppers, dessen Gemälde bekanntermaßen zu einem Großteil auf fotografischen Vorlagen beruhen, einnehmen lassen und bringt den spröden Reiz der "Neuen Welt" in Erinnerung. So ist auch der prosaische Hinweis angebracht, den sie dem Betrachter auf dem Schild der Bushaltestelle im Bild "Distance I" mit auf den Weg gibt: "Der mit Abstand wichtigste Raum im Weltall ist der zwischenmenschliche".

Michae Kasiske, Bauwelt, 48, 2006, S. 5

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