European Photography

Die Welt der Bilder von Mona Breede scheint vertraut. Dennoch stellt sich, je länger man sie anschaut, latente Unsicherheit ein. Vergleichbar dem Gefühl, das den Enkel in Prousts „Die Welt der Guermantes“ beschleicht. Nach langer Abwesenheit betritt er den Salon seiner Großmutter und erkennt in ihr nur noch eine alte Frau. Der Blick, der auf die Welt fällt, erschafft sie zugleich. Den Beweis des unaufhörlichen Schöpfungsaktes liefert das fotografische Bild. Als Schnitt in die Zeit taucht es die Welt in ein fremdes Licht. Aus der physischen Distanz und meistens leicht von oben richtet Mona Breede ihre Kamera auf die (verlorenen) Menschen in der Architektur der (Post)-Moderne; an Orten des unablässigen Durchgangs, Passagen, und zu einer Zeit, die ein besonderes Licht kennzeichnet. Es ist das Licht – neben der Kadrage und der Perspektive –, das ihren Bildern den spezifischen Charakter verleiht und die fotografische Transformation des Blicks verstärkt. Das Licht des frühen Morgens, das lange Schatten wirft, gleißendes Sonnenlicht, das die Szenerie wie von innen erleuchtet, das Licht nach dem Regen, das die Welt mit einer unheimlichen Spannung erfüllt. Dann tauchen die verwaschenen Farben aus dem vorherrschenden Grau zögernd auf, und für einen kurzen Augenblick stechen die Konturen in schneidender Schärfe hervor. Im strahlenden Mittagslicht erhält selbst das fotografierte Modell auf der Reklametafel ungeahnte Plastizität, das sich im Spiegelbild der eigenen Kamera betrachtet. Ihr übermächtiges Format schrumpft die Menschen im multikulturellen Outfit darunter zu Ameisen. „Shot what you love“, fordert der Slogan in Kalligraphie. Subtiler lässt sich ein schwelender Kulturkonflikt nicht darstellen. Ein modulierendes Licht und keines der dramatischen Kontraste. Hitchcock liebte es.

Klaus Honnef in European Photography
Art Magazine, 79/80, Bd. 27, 2006, S. 82-89

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